Stolpersteinverlegungen im September 2024

Erinnerung an Familie Mosler am 11. September in Steglitz

2024: Das Haus in der Rothenburgstraße 24 – Ansicht von der Waetzoldstraße

Am Mittwoch, dem 11. September 2024 um 11 Uhr werden in der Rothenburgstraße 24, 12165 Berlin, vier Stolpersteine für Kurt, Frida, Traud und Werner Mosler im Beisein von Angehörigen aus England verlegt. Michael Rohrmann wird die Erinnerungssteine setzen.

Der Bankier Kurt Mosler erwarb 1923 das Grundstück Rothenburgstr. 24 / Ecke Waetzoldstraße und ließ das heute noch vorhandene Doppelhaus bauen. Die Familie zog 1925 mit ihren beiden kleinen Kindern ein – der 1919 geborenen Tochter Traud und dem 1922 geborenen Sohn Werner.

Spätestens ab 1933 bekam die jüdische Familie den mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten erstarkenden Antisemitismus zu spüren: Die von Kurt Mosler gegründete Bank wurde liqudiert, den Kindern der Schulbesuch untersagt. Ein Emigrationsversuch über Holland schlug fehl. 1939 musste Kurt Mosler das Haus weit unter Wert verkaufen. Die Kinder Traud und Werner konnten mit Hilfe nach England flüchten. Die Eltern Kurt und Frida Mosler blieben in Deutschland. Am 2. März 1943 wurde Kurt, am 4. März 1943 Frida nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Biografische Spurensuche

Kurt Mosler – ein erfolgreicher Bankkaufmann
Portraitfoto Kurt MoslerKurt Mosler (Foto: Privatbesitz)

Kurt Mosler – ein erfolgreicher Bankkaufmann

Kurt Mosler wurde am 16. Oktober 1890 in Berlin geboren. Seine Eltern waren Max Mosler und Lydia Merseburger (* 6. Mai 1858). Kurt hatte einen älteren Bruder, Hans, geboren am 23. April 1889. Die jüdische Familie Mosler wohnte Am Botanischen Garten 16 in Berlin-Lichterfelde.
Kurt absolvierte eine kaufmännische Lehre bei der Dresdener Bank und lebte vor dem Ersten Weltkrieg einige Zeit in England. Im Ersten Weltkrieg diente er bei der Deutschen Marine. Er heiratete Frida Goldstein, geboren am 15. September 1891 in Berlin. Das Paar bekam zwei Kinder: Traud wurde am 8. September 1919 und Werner am 23. November 1922 in Berlin geboren.

Von 1919 bis 1924 lebte die Familie Mosler in der Lortzingstraße 4 in Lichterfelde. Kurt Mosler machte eine erfolgreiche Karriere im Bank- und Versicherungsgeschäft. Im Jahr 1923 konnte er ein Grundstück in der Rothenburgstraße 24 in Steglitz erwerben, das sich bis in die Waetzoldstraße erstreckte. Er ließ ein villenähnliches Doppelhaus bauen, in das 1925 die Familie einzog.

1929 gründete Kurt Mosler laut Eintrag im Berliner Handelsregister in der Königstraße 25/26 in Berlin-Mitte ein Bankhaus und Versicherungsunternehmen, das jedoch bereits ab 1.1.1934 liquidiert wurde. 1930 stand er mit „Bankkommissionsgeschäfte“ in der Klosterstr. 29 im Berliner Adressbuch.

Verlust von Vermögen und Status

Verlust von Vermögen und Status

Kurt Mosler betätigte sich zudem als freier Makler. Er wurde Gesellschafter bei Max Scheftel in einer Gürtelfabrik in der Alexanderstraße 39, schied jedoch 1935 als Gesellschafter wieder aus. Im selben Jahr ging Kurt Mosler nach Holland, um dort eine neue Existenz aufzubauen, was jedoch erfolglos blieb. 1936 zurück in Deutschland nahm er eine Hypothek auf das Grundstück Rothenburgstraße 24 auf. Der Kredit wurde einerseits für den Umbau des Hauses für weitere Vermietungsmöglichkeiten verwendet; andererseits als Startkapital zur Gründung einer Druckerei „Norm-Kleindruck-Vertrieb“ , die 1937 und 1938 in der Wilhelmstraße 33 im Berliner Adressbuch eingetragen war.

1938 wurde er unter Androhung von KZ-Haft unter Druck gesetzt, den Druckereibetrieb zu verkaufen – den Kaufpreis hat Kurt Mosler nie erhalten.

1938 wurden auf das Grundstück Rothenburgstraße zwei weitere Hypotheken eingetragen. Diese dienten gegenüber dem Deutschen Reich als Sicherheiten für die „Reichsfluchtsteuer“, die für Kurt Moslers Mutter Lydia sowie für die verwitwete Gertrud Goldstein – der Tante von Kurts Ehefrau Frida - zu entrichten war.

1939 musste sich Kurt Mosler zwangsläufig von seiner Immobilie in der Rothenburgstraße trennen. Das Anwesen wurde im April 1939 deutlich unter Wert an Max Notz (Import und Großhandel mit Butter, Käse, Milchkonserven) und den Bäckermeister Georg Oberbach verkauft.
Zum 1. Oktober 1939 mussten Kurt und Frida Mosler das Haus endgültig räumen. Mit Kurts Mutter Lydia zogen sie in eine 3-Zimmer-Wohnung in der Prinzregentenstraße 4 in Wilmersdorf. Wertvoller Hausrat – Möbel, Teppiche, Bilder, Geschirr – wurde bei der Firma Kopania in der Bergstraße 91 in Steglitz eingelagert.

Frida Mosler, geborene Goldstein
Portaitfoto Frida MoslerFrida Mosler (Foto: Privatbesitz)

Frida Mosler, geborene Goldstein

Frida Goldstein wurde am 15. September 1891 in Berlin geboren. Sie stammte aus einer jüdischen Familie. Ihre Eltern waren Siegfried Goldstein (* 25. Februar 1856 in Berlin) und Rosalia Abel (* 7. Juli 1856 in Berlin). Frida hatte einen Bruder, Hans Goldstein (* 15. Mai 1895).
Nach ihrer Heirat mit dem Bankkaufmann Kurt Mosler kamen ihre Kinder Traud und drei Jahre später Werner zur Welt. Mit dem Umzug aus der Lichterfelder Mietwohnung in der Lortzingstr. 4 in die neu erbaute Villa in der Steglitzer Rothenburgstr. 24 im Jahr 1925 kam auch Fridas Schwiegermutter Lydia nach dem Tod ihres Ehemannes in den Haushalt. Nun wohnten drei Generationen Mosler unter einem Dach.

Aber bald bekamen Frida und ihre Familie den unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wachsenden Antisemitismus zu spüren. Ab 1933 verschlechterte sich die finanzielle Situation im Bankgewerbe ihres Mannes zunehmend. Ihre Kinder Traud und Werner hatten besonders in der Schule unter Ausgrenzung zu leiden.

So machten sich Frida und ihr Ehemann Kurt schon früh Gedanken über eine Auswanderung aus Deutschland. Nach dem gescheiterten Versuch, in Holland wirtschaftlich Fuß zu fassen, richteten sich die Gedanken vor allem auf die Rettung ihrer Kinder.

Flucht der Tochter Traud nach England

Flucht der Kinder Traud und Werner nach England

Traud besuchte seit 1930 das Auguste-Victoria-Lyzeum in Steglitz. Statt jedoch das Abitur machen zu können um anschießend Mathematik und Sport für Lehramt zu studieren, musste sie 1936 zwangsweise die Schule verlassen, weil sie Jüdin war. Aber auch eine reguläre Berufsausbildung aufzunehmen war jüdischen Jugendlichen nicht mehr möglich. So konnte Traud keine Schneiderlehre absolvieren, auf die sie ausweichen wollte, sondern besuchte halbtags einen provisorischen Nähunterricht in einem jüdischen Atelier, das 1938 ebenfalls aufgelöst wurde. Schließlich half sie im Büro der Druckerei, die ihr Vater Kurt 1936 erworben hatte, bis im Dezember 1938 der Betrieb zwangsweise dem neuen Eigentümer übergeben wurde.

Am 14. März 1939 verließ Traud Deutschland, zusammen mit ihrem Verlobten Gerhard Chaim und ging nach Leeds in England.

 

Flucht des Sohnes Werner nach England
Werner Mosler im Jahre 1939 (Foto: Privatbesitz)

Werner wechselte 1933 in das Paulsen-Gymnasium in Steglitz. 1935 nahm ihn sein Vater Kurt mit nach Amsterdam, wo Werner bei einem Cousin seiner Mutter wohnte. Er besuchte einen Sprachkurs in Niederländisch und bestand die entsprechende Aufnahmeprüfung für den Schulbesuch. Jedoch erhielt er keine Zulassung für ein Gymnasium - und da sich die finanzielle Lage des Vaters verschlechterte, kehrten Vater und Sohn im Sommer 1936 nach Berlin zurück.

Hier war eine Fortsetzung der regulären Schulausbildung nicht mehr möglich. Daher besuchte Werner bis Ostern 1938 die jüdische Kaliski-Waldschule in Dahlem. Anschließend finanzierte er sich mit kleinen Jobs - wie z.B. Reparaturarbeiten und der Auslieferung von Wasserflöhen an Zoogeschäfte – den Besuch von Englisch-Kursen an der Kaliski-Schule.

Am 27. Juli 1939 verließ Werner Deutschland mit Hilfe der englischen Quäker. In England wurde er vom Flüchtlingskomitee zunächst auf einer YMCA-Trainigsfarm bei Henley-on-Thames untergebracht.

Für Traud und für Werner war der Start in ein neues Leben in England nicht leicht. Auch die ständige Sorge um die Eltern in Deutschland war bedrückend.

Deportation und Ermordung der Eltern

Nach der gelungenen Flucht ihrer Kinder blieben die Eltern Kurt und Frida Mosler in Berlin. Für eine Ausreise aus Deutschland konnten sie weder eine Bürgschaft vorweisen noch die erforderlichen 100 Dollar, um ein Visum zu erhalten. Vielleicht wollten sie auch Kurts betagte Mutter Lydia nicht in Berlin zurücklassen. Lydia starb im Juli 1941.

Am 2. März 1943 wurde Kurt Mosler nach Auschwitz deportiert.

Am 4. März 1943 wurde Frida Mosler nach Auschwitz deportiert.

Beide wurden in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet.

Überleben in England: Traud
Traud Mosler im Jahr 1969 (Foto: Privatbesitz)

Überleben in England

Traud schlug sich zunächst als stundenweise Hausangestellte bei wechselnden Arbeitgebern durch. Diese Arbeit wurde nur geringfügig entlohnt. Dann machte sie Näharbeiten in Leeds, die etwas besser bezahlt wurden.1943 ging Traud nach London, wo sie in einer Bekleidungsfabrik als Näherin arbeitete. 1944 heiratete sie ihren zweiten Ehemann Leopold Heller. Im April 1944 erwartete Traud ihr erstes Kind. Später engagierte sich Traud bei der Leo Baeck Lodge und gab Essen im jüdischen Altersheim aus.

Traud starb am 5. Januar 2006 in London.

 

Überleben in England: Werner
Werner Mosler im Jahr 1959 (Foto: Privatbesitz)

Überleben in England

Werner wurde innerhalb weniger Monate nach seiner Ankunft auf verschiedenen Farmen und schließlich in einem Heim in Leeds untergebracht. Von Mai 1940 bis Oktober 1941 wurde er als „feindlicher Ausländer“ interniert.

Nach seiner Entlassung ging Werner nach London, wo er sich mit unterschiedlichen Jobs über Wasser hielt. Ab 1944 arbeitete er als Vertreter im Buchverlagsgeschäft mit gutem Einkommen.1946 machte Werner sich mit einem Druckereibetrieb selbständig.

Zwei Ehen scheiterten. 1959 heiratete er Anne Marie Gross und bekam mit ihr zwei Kinder.

1998 gab Werner für Steven Spielbergs Shoa-Projekt als Zeitzeuge ein Interview.

Werner starb am 27. April 2000 in London.

Sabine Davids von der Stolpersteininitiative Steglitz und Lynne Clare haben die Texte der biografischen Spurensuche zu Famile Mosler in einem Faltblatt zusammengestellt, das im PDF-Format zum Download bereit steht.

PDF-Flyer deutsch / PDF- Flyer englisch

Netzwerk Erinnerungskultur im Kirchenkreis Steglitz

ADRESSE c/o Ev. Lukas-Kirchengemeinde, Friedrichsruher Straße 6, 12167 Berlin    VORSITZ Pfarrerin Andrea Köppen, E-Mail

SPENDEN KKVB Berlin Süd-West | Evangelischen Bank eG | DE18 5206 0410 0003 9663 99  |  BIC GENODEF1EK1 | "Stolpersteine Steglitz"

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