Die Stolpersteininitiative der Steglitzer Markus-Gemeinde lädt am Montag, den 18. November 2024, um 14 Uhr zum Gedenken an Rose Ollendorff und Käte Laserstein ein. Im Immenweg 7 werden an diesem Tag Stolpersteine für die beiden Frauen verlegt. Nach der Verlegung lädt die Initiative zum Gedenken und Erinnern in das Kinder- und Jugendhaus „Imme“ im Immenweg 10 ein.
Schon seit einigen Jahren erinnert im Immenweg 7 ein Stolperstein an das Schicksal der im KZ Ravensbrück umgekommenen Meta Laserstein.
Nun kommen zu diesem Stein zwei weitere Stolpersteine hinzu, Steine für zwei Frauen, deren Leben untrennbar mit dem Meta Lasersteins verbunden waren.
Käte Laserstein, geboren am 17. Mai 1900 in Preußisch-Holland, dem heutigen polnischen Pasłęk, war die jüngere Tochter Meta und Hugo Lasersteins. Bereits zwei Jahre zuvor war ihre Schwester Lotte zur Welt gekommen. 1912 zog die inzwischen verwitwete Meta Laserstein mit ihren Töchtern nach Berlin. Anfang der 1930er Jahre wurde Käte Laserstein Lehrerin für Deutsch, Englisch und Kunstgeschichte. 1931 zog sie mit ihrer Mutter in den Immenweg 7 in Steglitz. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Käte Laserstein, obwohl christlich getauft, als sogenannten 'Dreiviertel-Jüdin' aus dem Schuldienst entlassen. Sie fand Anstellung an einer jüdischen Privatschule und lernte dort ihre spätere Lebensgefährtin Rose Ollendorff („Olly“) kennen.
Rose Ollendorff wurde am 19. Juli 1904 als Tochter von Betty und Hugo Ollendorff in Berlin geboren. Nach Abschluss der Schule studierte sie in Berlin Französisch, Geschichte und Sport und wurde Lehrerin. Als Jüdin durfte auch sie ab 1934 nur noch an jüdischen Privatschulen unterrichten. Im November 1941 wurde sie zur Zwangsarbeit bei Siemens verpflichtet. Als sie im Januar 1942 die Aufforderung zur Deportation erhielt, täuschte sie ihren Selbstmord vor und tauchte unter. Zunächst konnte sie sich bei Käte Laserstein und deren Mutter im Immenweg 7 verbergen. Doch am 13. Juli 1942 musste auch Käte Laserstein untertauchen.
Rose Ollendorff und Käte Laserstein überlebten den Holocaust in der Illegalität. Sie kamen bei Freunden und Verwandten unter, versteckten sich auf Dachböden, in einer Schrebergartenlaube, und wohnten, getarnt als ausgebombte Cousinen, bei einer wildfremden Helferin. Gemeinsam erlebten sie die Befreiung.
Recherche: Nina Haeberlin
Manchmal bringen Stolpersteinrecherchen ganz wundersame Geschichten zum Vorschein, und dies hier ist eine dieser Geschichten – aufgeschrieben von Nina Haeberlin (Stolpersteininitiative der Markusgemeinde Berlin Steglitz):
Seit beinah vierzehn Jahren liegt vor dem Haus im Immenweg 7 ein Stolperstein für Meta Laserstein. Doch was führte dazu, dass die 75-jährige Jüdin Meta Laserstein im Juli 1942 verhaftet und ein halbes Jahr später im KZ Ravensbrück ermordet wurde? Und Laserstein … Laserstein??? War da nicht vor einigen Jahren die großartige Lotte Laserstein Ausstellung in der Berlinischen Galerie? Richtig, Lotte Laserstein war die Tochter von Meta Laserstein, aber nicht die Einzige. Lotte Laserstein hatte eine Schwester, Käte Laserstein, und von ihr handelt diese Geschichte.
Sie beginnt aber nicht in den düsteren Jahren des Naziregimes und auch nicht in Berlin Steglitz, sondern in Schweden im Jahr 2022. Hier veröffentlichte Joanna Rubin Dranger eine Graphic Novel mit dem Titel „Ihågkom oss till liv – Erinnert uns lebendig“, mit der sie im November 2023 den Nordisk Råds litteraturpris gewann. Und in dieser Graphic Novel findet sich eine Seite, die mit wenigen Bildern das Schicksal der drei Laserstein-Frauen erzählt.
Doch wie kam es dazu? Um das zu klären, müssen wir doch zurück in die Vergangenheit, zurück in das Jahr 1867 nach Preußisch Holland, einer kleinen Stadt in Ostpreußen, 70 Kilometer südlich von Danzig, dem heutigen polnischen Pasłęk. Dort wurde Meta Birnbaum am 18. Mai 1867 geboren. Ihr Vater war Landgerichtsdirektor. Über ihre Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Als sie im Februar 1898 in Danzig den gleichfalls aus Preußisch Holland stammenden Apotheker Hugo Laserstein heiratete, war ihr Vater bereits verstorben. Im November 1898 kam ihre Tochter Lotte, im Mai 1900 ihre Tochter Käte zur Welt. Im gleichen Jahr zog die Familie wegen eines Herzleidens des Vaters nach Bad Nauheim, wo Hugo Laserstein zwei Jahre später im Alter von nur 42 Jahren starb. Meta Laserstein kehrte mit ihren Töchtern zu ihrer Mutter nach Danzig zurück, in deren Haushalt auch ihre Schwester Elsa wohnte. Hier begannen die Töchter ihren Schulbesuch und Lotte Laserstein nahm ersten Zeichenunterricht in der kleinen Privatschule ihrer Tante Elsa. Um den Kindern bessere Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten, verließ Meta Laserstein 1912 mit ihren Töchtern Danzig und kam nach Berlin. Die Familie lebte vom Vermögen des Vaters. Lotte und Käte besuchten die Chamisso-Schule in Schöneberg, eine der wenigen Mädchenschulen Berlins, an der Schülerinnen damals die Hochschulreife erwerben konnten.
Lotte Laserstein begann nach dem Abitur ein Studium der Malerei an der Hochschule für bildende Künste. Käte Laserstein studierte zunächst an der Friedrich-Wilhelm-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, Germanistik, promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, schloss daran ein Lehramtsstudium und wurde Anfang der 1930er Jahre Gymnasiallehrerin in Berlin.
Nach dem Tod Ida Birnbaums zogen Meta und Käte Laserstein 1931 in den Immenweg 7, der zur neuerbauten „Rauchlosen Siedlung“ gehörte, einer modernen Wohnsiedlung in Südende. Lotte Laserstein zog in ihr Atelier in die Nachodstraße und führte dort eine private Kunstschule. Obwohl christlich getauft, wurden beide Laserstein-Töchter mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu sogenannten ‚Dreiviertel-Jüdinnen‘. Käte Laserstein musste die staatliche Schule verlassen. Sie fand eine Anstellung an einer Jüdischen Privatschule. Lotte Lasersteins Bilder wurden aus den Ausstellungen verbannt. Auch durfte sie an der Kunstakademie nicht mehr für ihre private Malschule werben und musste 1935 die Schule ganz schließen. Ende 1937 flüchtete Lotte Laserstein auf eine Ausstellungseinladung nach Schweden. Sie kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück.
Und hier kommen wir auf Joanna Rubin Dranger und ihre Graphic Novell „Ihågkom oss till liv – Erinnert uns lebendig“ zurück. Dort erzählt sie zeichnend die Geschichte ihrer eigenen Familie, von der Verfolgung vor und während des Zweiten Weltkriegs, aber auch vom Antisemitismus und den Auswirkungen in den skandinavischen Ländern und den verheerenden Folgen der mangelnden Hilfsbereitschaft. Und sie erzählt die Geschichte eines Bildes, das Lotte Laserstein von ihrer Tante Susanna als sechsjähriges Kind einst gemalt hatte. Und dann folgt eine Seite, die in wenigen Bildern das Schicksal der drei Laserstein- Frauen auf eindrucksvolle Weise zusammenfasst.
Noch im Sommer 1939 besuchte Meta Laserstein ihre Tochter Lotte in Stockholm, doch kehrte sie zwei Tage nach Kriegsausbruch am 3. September 1939 nach Berlin zurück. Über ihre Gründe können wir nur mutmaßen. Vielleicht wollte sie Käte nicht allein in Deutschland zurücklassen? Vielleicht hegte sie noch Hoffnung, ihre ‚halbarische‘ Abstammung könne die ‚Dreiviertel-Jüdin‘ schützen? Wir wissen es nicht.
Als Kätes Lebensgefährtin Rose Ollendorff im Januar 1942 die Aufforderung zur Deportation erhielt, nahmen Meta und Käte Laserstein sie bei sich auf. Doch Mitte Juli 1942 musste auch Käte Laserstein untertauchen. Zwei Wochen später erschien die Gestapo zur Hausdurchsuchung im Immenweg. Meta Laserstein gab den Aufenthaltsort ihrer Tochter nicht preis, wurde am 29. Juli 1942 zunächst im Frauengefängnis am Kaiserdamm inhaftiert und im Dezember 1942 in das Frauen-KZ Ravensbrück deportiert. Dort starb sie am 16. Januar 1943 im Alter von 75 Jahren.
Käte Laserstein sprach nach dem Krieg oftmals davon, sie sei „die Mörderin ihrer Mutter“. Rose Ollendorff und Käte Laserstein überlebten den Holocaust in der Illegalität. Nach dem Krieg arbeiteten beide zunächst wieder als Lehrerinnen, bis Käte für einige Jahre zu ihrer Schwester nach Schweden zog. 1954 kehrte sie nach Berlin zurück, zog in ihre alte Steglitzer Wohnung im Immenweg und unterrichtete bis zu ihrem Tod an der Gertrauden-Schule, heute Halvorsen Schule, in Dahlem. Rose Ollendorff starb am 11. Oktober 1960 im Alter von gerade einmal 56 Jahren. Fünf Jahre später kam Käte Laserstein am 9. August 1965 bei einem Badeunfall ums Leben.
Erst in den letzten Jahren begann man, auch für Menschen, die sich versteckten, ihre Heimat verlassen mussten oder ein KZ überlebt hatten, Stolpersteine zu verlegen, sind sie doch Gedenksteine und keine Grabsteine und bieten so die Möglichkeit, Familien, die im Nationalsozialismus einst jäh auseinandergerissen wurden, im Gedenken wieder zusammenzuführen. Daher haben wir im November neben dem Stein ihrer Mutter im Immenweg 7 einen Stolperstein für Käte Laserstein verlegt und auch einen Stein für Rose Ollendorff.
ADRESSE c/o Ev. Lukas-Kirchengemeinde, Friedrichsruher Straße 6, 12167 Berlin VORSITZ Pfarrerin Andrea Köppen, E-Mail
SPENDEN KKVB Berlin Süd-West | Evangelischen Bank eG | DE18 5206 0410 0003 9663 99 | BIC GENODEF1EK1 | "Stolpersteine Steglitz"
Stolpersteine sind Wind und Wetter ausgesetzt und müssen in regelmäßigen Abständen gereinigt werden, da die Messingoberfläche unter feuchten Wetterbedingungen oxydiert.
Wenn Sie einen STOLPERSTEIN putzen und somit die Erinnerung blank polieren möchten, lesen Sie bitte vorher diese Anleitung.