Clara Hermann

Gleis 17 - Erinnerung an die Deportation am 10. Juli 1942Erinnerung an die Deportation am 10. Juli 1942

Aus der Wohnung vertrieben

Clara Hermann, geborene Mosberg, am 30. November 1866 in Hagen (Westfalen), wohnte bis 1940 in der Muthesiusstraße 20 in Steglitz. Sie war mit Moritz Hermann verheiratet. Das Ehepaar hatte mindestens einen Sohn, der in die USA ausgewandert war. Er lebte in Chicago. Nach dem Berliner Adressverzeichnis wohnte Moritz Hermann seit 1910 in der Steglitzer Miguelstraße, die später in Muthesiusstraße umbenannt wurde. Im Firmenverzeichnis gibt es von 1901 bis 1910 Einträge für "Hermann, M., Gen. Vertreter. f. Deutschland für B. Doufour&Cie, Seifen- u. Parfümeriefabrik in Paris, W57, Bülowstr. 57, Wohn. Nr. 43 1-2,5". 1940 musste Clara die Wohnung in der Muthesiusstraße verlassen. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits verwitwet. Ihre Kennkarte: A 536238 wurde noch in Steglitz ausgestellt.

Bürokratisch penible Vorbereitung der Deportation

Ab 1940 wohnte Clara Hermann zur Untermiete bei Georg Hoffmann, in Schöneberg, Kleiststr. 8. Vielleicht handelte es sich um einen Bekannten oder entfernten Verwandten, denn Georg Hoffmann stammte wie die Familie Mosberg aus Westfalen. Er wurde am 13. Juli 1889 in Castrop–Rauxel geboren. Die Wohnung befand sich im l. Seitenflügel 2. OG und hatte WC, Warmwasser, Heizung, Badezimmer. Clara Hermann bewohnte ein Zimmer. Sie bezog 40,- RM monatliche Rente von der Jüdischen Kultusvereinigung sowie 20,- RM jährlich aus dem Vorzugsrentenschein Nr. 247649. Am 3. Juli 1942 musste Clara Hermann eine Vermögenserklärung ausfüllen. Damit stand die Deportation unmittelbar bevor. Vermögenswerte wurde keine festgestellt. Am 10. Juli 1942 wurde die 76-jährige Clara Hermann mit 100 Menschen im Transport I/20 von Berlin nach Theresienstadt deportiert.
Einen Monat nach der Deportation von Clara Hermann wurde am 7. August 1942 die Inventarschätzung der Wohnung von Georg Hoffmann, vorgenommen. Eine halbe Stunde wurde dafür aufgewendet und kein Vermögen registriert. Georg Hoffmann wurde am 15. August 1942 mit weiteren 1000 Menschen nach Riga deportiert. Dort wurde er sofort nach der Ankunft am 18. August 1942 ermordet.

Auch Bruder und Schwägerin überlebten nicht

Der Bruder von Clara Hermann, Max Mosberg, lässt sich ab 1905 in den Berliner Adressbüchern finden. Er lebte in der Martin-Luther-Str. 26 in Schöneberg. Diese Adresse findet sich auch im Jüdischen Adressbuch von 1931 für Max Mosberg. Zu seinem beruflichem Engagement findet sich dieser Hinweis: "Niederlausitzer Kiesgruben-, Ton- und Braunkohlenin-dustrie, Finanzierungen (Inh. M. Mosberg).“ Max Mosberg war mit Betty Else Mosberg , geb. Kahn, verheiratet. Sie wurde am 13. Juni 1866 in Darmstadt (Hessen) geboren. Es ist nicht bekannt, ob das Ehepaar Kinder hatte.
Max und Betty Mosberg wohnten zuletzt in Schöneberg, Großgörschenstr. 24 in relativ bescheidenen Verhältnissen: Die Wohnungseinrichtung von Betty Mosberg beschränkte sich auf „1 Zimmer links vom Eingang, 1 Zimmer rechts vom Eingang, 1 Kücheneinrichtung." Vermutlich im März 1942 ist Max Mosberg im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 verstorben. Betty Mosberg musste im August 1942 in das Altersheim Gerlachstr. 18-21 Berlin C2 der Jüdischen Kultusvereinigung zu Berlin e.V. umziehen. Am 15.September 1942 musste sie mit 1000 anderen Menschen nach Theresienstadt fahren.

„Arische“ Nutznießer

Für die seit August 1942 leerstehende Wohnung in der Großgörschenstraße stellte Frau Gertud Pusemann, Hausverwaltung Friedenau, im September 1942 den Antrag auf „Mietübernahme für die geräumte Judenwohnung des früheren Mieters Max Mosberg." Die Oberfinanzkasse überwies am 23. Februar 1943 die geforderte Mietzahlung an, da die "geräumte" Wohnung zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht wieder "freigegeben" war. Die Wohnungseinrichtung von Betty Mosberg wurde am 23. Februar 1943 durch den Einzelhändler Karl Gross, Goebenstr. 11, von der Oberfinanzkasse erworben. Vermögenswerte fielen dem „Reich“ zu Die Bewag stellte am 22.Februar 1943 ein Stromzahlungsguthaben von 11,13 RM fest. Das wurde am 3. Mai 1943 als „…dem Reich verfallener Vermögenswert verbucht". Der Vorzugsrentenschein von Clara Hermann wurde am 7. Dezember 1945 vom Magistrat der Stadt Berlin, Finanzabteilung, Generalsteuerkasse, unter Verwahrung genommen. In der Akte des Brandenburgischen Landeshauptarchivs findet sich ein Vermerk über einen "Auslosungsschein der Anlei-heablösungsschuld" über 25,-RM (24. Januar 1944): „Für die am 30.11.1866 geborene, zuletzt in Berlin-Steglitz, Muthesiusstr. 20 wohnhaft gewesene Jüdin Clara Sara Hermann geb. Mosberg ist bei uns ein Auslosungsschein der Anleiheablösungsschuld des Deutschen Reichs über 25RM hinterlegt." (Korrektur der Adresse handschriftlich: W.62 Kleiststr. 8) "Die Genannte ist nach Mitteilung des Polizei-Präsidenten Berlin vom 7.1.1944 am 10.7.1942 nach Theresienstadt abgemeldet worden." Der Auslosungsschein wurde am 30. Juni 1944 vernichtet.

Recherche: Karin Kern
Text: Sabine Davids

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