Stolpersteinverlegungen im Oktober 2023

Stolpersteinverlegung im Oktober in Lichterfelde-Ost

Am Donnerstag, dem 19. Oktober 2023 wird um 16 Uhr in der Geraer Straße 43 in Lichterfelde Ost, vor dem Haus der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung Dr. Wolf, deren Namensgeber Dr. med. Ludwig Paul Wolf und seiner Ehefrau mit einer Stolpersteinverlegung gedacht.

 

Stolpersteine für das Ehepaar Wolf

Bereits im Jahre 2005 begann eine mit bemerkenswertem Interesse und großem Engagement von Kindern und Jugendlichen und dem damaligen Team der Einrichtung durchgeführte Recherche nach der Geschichte des Hauses und seines ursprünglichen Besitzers. Nach ersten grundlegenden Vorrecherchen erfolgte daraufhin die Benennung der Jugendeinrichtung nach ihrem Stifter.

18 Jahre später, nach weiteren Recherchen und neu gewonnenen Erkenntnissen wird nun, durch einen Stolperstein sichtbar gemacht, des Mediziners und Christen jüdischer Herkunft und seiner bedeutenden Rolle als Stifter dieser Jugendeinrichtung erneut gedacht. Über Jahrzehnte ist diese als offener Ort und  Begegnungsstätte für Kinder und Jugendliche im Bezirk bekannt ist. Im Rahmen der Zeremonie wird unter anderem die Lebensgeschichte der Eheleute Dr. Wolf beleuchtet und so ihre Existenz und ihr Leid ins Bewusstsein der Anwesenden gerückt.

Einladungsflyer zum Download

Stolpersteinprojekt der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung Dr. Wolf

Die Gedenktafel (weiße emaillierte Blechtafel) wurde am 1.9.2006 durch Bezirksstadträtin Anke Otto enthüllt. Sie ist rechts neben dem Eingang am Gebäude des Kinder- und Jugendzentrums Dr. Wolf in der Geraer Straße 43 auf dem Putz befestigt.

Für den Stifter und Namensgeber Dr. Ludwig Paul Wolf und seine Frau Eva Wolf
Geraer Straße 43 in 12209 Berlin Lichterfelde Ost

Am 31. Oktober 2023 jährt sich der Todestag des Arztes Dr. med. Ludwig Paul Wolf zum 80. Mal. Mit seinem Namen wird im Bezirk Steglitz, Lichterfelde Ost, zugleich auch die sogenannte „Villa Wolf“, die seit Jahrzehnten eine Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung des Bezirksamts beheimatet, verbunden.Aber nur wenigen Menschen, die mit dem Haus, den darin ein- und ausgehenden Kindern und Jugendlichen und den dortigen Mitarbeitern verbunden sind, wird die Geschichte dieses Hauses, seines ursprünglichen Besitzers und Stifters tatsächlich bekannt sein. Der mit der Einrichtung verbundene heutige Namenszusatz „Dr. Wolf“ und eine Gedenktafel am Hauseingang weisen lediglich darauf hin, dass Wohnhaus und Vermögen des Arztes „zum Wohle der Jugend des Bezirkes“ vermacht wurden. Eine soziale Stiftung eines großzügigen Berliner Bürgers, so scheint es auf den ersten Blick – wie es manche in Berlin geben wird.

Eine von Kindern, Jugendlichen und Mitarbeitern der Einrichtung im Jahre 2005 mit großem Engagement durchgeführte erste Recherche nach der Geschichte des Hauses und seines ursprünglichen Besitzers brachte grundlegende Ergebnisse zur Biographie Dr. Wolfs und seiner Bedeutung als Stifter dieses Hauses zutage, die schließlich im Jahr 2006 zu der offiziellen Benennung nach dem Stifter führte. Nun, nach 18 Jahren, wurde die Recherche anlässlich des Gedenktages fortgeführt, vertieft und ergänzt und dies zum Anlass genommen, ihm und seiner Frau mit Stolpersteinen zu gedenken.

Dr. Ludwig Paul Wolf und Eva Wolf geb. Köhler

Geboren wurde Dr. Ludwig Paul Wolf am 6.5.1876 in Dresden als zweites von fünf Kindern des jüdischen Bankiers und Kammerrates Alexander Alfred Wolf und dessen Ehefrau Bertha Wolf, geb. Hahn. Sowohl die Dresdner Familie des Vaters als auch die Familie der aus Frankfurt stammenden Mutter waren bereits seit Jahrzehnten im Geld- und Bankgeschäft tätig. Stiftungen von Fürsorgeeinrichtungen, aktives Wirken in der jüdischen Gemeinde wie auch in Verwaltungsgremien der Stadt kennzeichneten diese namhaften Familien.

Ludwig Paul Wolf erfuhr eine sehr gute Ausbildung und wurde von den Eltern wie ebenso seine Geschwister und viele seiner Angehörigen als 12-Jähriger, im Jahre 1888, in der Dresdner Kreuzkirche evangelisch getauft. Auch seine Eltern ließen sich wenige Jahre später taufen. Im Anschluss an sein Abitur im Jahr 1896 am Dresdner Kreuzgymnasium studierte er in Freiburg i. Breisgau und in München Medizin, wo er im Jahre 1901 promovierte. Seit 1903 lebte Wolf in Berlin-Charlottenburg, wo er am 24.6.1907 seine Frau Eva heiratete. Sie war die am 16.1.1882 in Berlin geborene Tochter des Medizinalrates und Militärarztes Dr. Rudolph Albrecht Köhler und dessen Ehefrau Bertha, geb. Schönemann. Kaum etwas lässt sich über sie persönlich ermitteln. Ihr am 22.12.1880 geborener Bruder Willy, Regierungsrat a.D., verstarb bereits im Jahr 1936.

Über die frühen Lebensumstände des Paares und seine Tätigkeit als Mediziner zu dieser Zeit ist bislang nichts bekannt. Die Ehe blieb kinderlos.

Im Jahr 1909 übernahm Dr. Wolf als Chefarzt die medizinische Leitung des neu gegründeten Verbandskrankenhauses in Rüdersdorf, das unter seiner Leitung stetig ausgebaut wurde, und verblieb dort bis zum Jahr 1929. Wolf war während dieser Zeit auch Mitglied des Kreisausschusses Niederbarnim.

Nach Beendigung seiner Tätigkeit wurde Berlin zum neuen Wohnsitz; 1931 war Dr. Wolf in der Alsheimerstraße in Lankwitz gemeldet. Etwa zwei Jahre später kaufte er das neu erbaute Haus in der Geraer Straße 43, das er seit dieser Zeit bewohnte. Über eine Ausübung seines Berufes als praktischer Arzt in der Zeit vor 1933 ist nichts bekannt. Vielmehr ist anzunehmen, dass Wolf bereits zu dieser Zeit als Rentier lebte. Eine Tätigkeit war ihm nach 1933 infolge der nach nationalsozialistischer Ideologie erfolgten rassischen Zuordnung als Jude ohnehin nicht mehr möglich.

Auch nach der Scheidung von seiner Frau im Jahre 1929, blieb die Verbindung des Paares bis zu Ludwig Paul Wolfs Tod, im Jahre 1943, sehr eng. Daher ist anzunehmen, dass sie zunächst noch gemeinsam das Haus in der Geraer Straße bewohnten. Erst Jahre später lässt sich ein getrennter Wohnsitz Eva Wolfs in Bergholz-Rehbrücke nachweisen. Den Schutz vor einer Verfolgung, den Wolf durch die Ehe mit einer „Arierin“ anfänglich zumindest noch gehabt hätte, hatte er durch die Scheidung verloren.

Nichts ist über die Lebenssituation Dr. Wolfs oder seiner Ehefrau weiter bekannt. Erst 1941 verließ er Lichterfelde Ost und zog zu seiner geschiedenen Frau nach Bergholz-Rehbrücke, wo er am 31.10.1943 verstarb. Am 2.12.1967 starb Eva Wolf. Die Grabstelle für sie – und wie es auf dem Grabstein gemeißelt steht – „ihren geliebten Mann“ ist auf dem dortigen Friedhof zu finden.

Dr. Christiane Scheidemann

Stiftung Dr. Wolf "zum Wohle der Jugend in Steglitz"

Ganz sicher erlebte Wolf die zunehmende Bedrohung und Verfolgung als Jude. Zweifelsohne hatte er auch noch Kenntnis von der Deportation von Familienangehörigen nehmen müssen. Im Jahr 1937 hatte Dr. Ludwig Paul Wolf testamentarisch verfügt, dass sein Vermögen und sein Grundbesitz dem Verwaltungsbezirk Steglitz in Form einer Stiftung zu vermachen sei, unter der Maßgabe, dies ausschließlich für die Jugend des Bezirkes zu nutzen. Zudem sollte seiner geschiedenen Frau bis zu ihrem Lebensende eine Leibrente in Höhe von 300 RM zukommen.

Tatsächlich wurde diese testamentarische Verfügung nach anfänglichem heftigen Widerstand gegen die Anerkennung und Genehmigung einer Stiftung aus sogenannter "nichtarischer" Hand und wegen dem entgegenstehender „rassischer Grundsätze des nationalsozialistischen Staates“ erst ein Jahr nach seinem Tod, im Oktober 1944, seitens des Regierungspräsidenten von Berlin akzeptiert und schließlich die Genehmigung für die Annahme der Stiftung erteilt.

Die energischen Bemühungen, die nach Wolfs Tod um die Anerkennung der Stiftung als Zuwendung an die Stadt trotz ihrer Umstrittenheit unternommen wurden, machen die Bedeutsamkeit dieser Stiftung für die Berliner Verwaltungsinstanzen, gerade auch in materieller Hinsicht – ob ihres Wertes und ihrer finanziellen Höhe – deutlich. So wurde unter Vorgabe eines vermeintlichen arischen außerehelichen Vaters Wolfs „rassische Einordnung“ als „Volljude“ aufgehoben, was wiederum die Anerkennung der Stiftung vereinfachte. Die im Testament von Wolf noch erwähnte Zuwendung von Pflichtteilen an (jüdische) Familienangehörige wurde als nicht notwendig, da “in guten wirtschaftlichen Verhältnissen“ lebend abgelehnt. Längst war zu diesem Zeitpunkt die älteste Schwester kurz vor ihrer eigenen Deportation in Dresden im Januar 1944, verstorben und auch die jüngste Schwester sowie der Cousin Dr. Wolfs bereits 1943 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet worden.

Die testamentarische Verfügung, die er bei Gericht hinterlegt hatte, mag Dr. Wolf einen gewissen Schutz vor einer unmittelbaren lebensbedrohlichen Verfolgung geboten haben. Vielleicht war diese auch als Möglichkeit einer Überlebensstrategie angedacht und/oder von entsprechender amtlicher Seite unterstützt oder eingefordert worden. Dies ist allerdings nicht konkret zu belegen.

Eine offizielle Requirierung des Vermögens oder des im Haus verbliebenen Inventars erfolgte so jedoch nicht. Vielmehr fanden nach Zeitzeugenbericht noch bis Kriegsende Veranstaltungen des Bunds Deutscher Mädel dort statt, wo die noch bestehende umfangreiche Bibliothek Dr. Wolfs von den Kindern mit Erstaunen wahrgenommen wurde.

Das Haus erlitt während des Krieges einen Bombenschaden am Dach. Das hinterlassene Inventar Dr. Wolfs wurde dann in den Wirren des April/Mai 1945 weitgehend geplündert. Schon Mitte Mai 1945, nach Ende der Belegung des Hauses durch russische Soldaten, wurde das Gebäude erstmals durch den Jugendpfleger des Bezirks in Augenschein genommen und für eine spätere Verwendung als Kindertagesstätte in Betracht gezogen. Tatsächlich fand dort später laut Zeitzeugenbericht eine für Kinder und Jugendliche ausgegebene Schweden- oder Quäkerspeisung statt. Nach der Installierung einer Nothilfeunterkunft für Kinder und Jugendliche steht das Haus bis heute - nun als „Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung Dr. Wolf“ - der Jugend des Bezirkes, in der Wolf nach eigenen Worten „die Zukunft seines Vaterlandes“ sah, dem Willen ihres Stifters gemäß zur Verfügung.

Dr. Christiane Scheidemann

Netzwerk Erinnerungskultur im Kirchenkreis Steglitz

ADRESSE c/o Ev. Lukas-Kirchengemeinde, Friedrichsruher Straße 6, 12167 Berlin    VORSITZ Pfarrerin Andrea Köppen, E-Mail

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Stolpersteine reinigen

Stolpersteine sind Wind und Wetter ausgesetzt und müssen in regelmäßigen Abständen gereinigt werden, da die Messingoberfläche unter feuchten Wetterbedingungen oxydiert.

Wenn Sie einen STOLPERSTEIN putzen und somit die Erinnerung blank polieren möchten, lesen Sie bitte vorher diese Anleitung.

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