Aus der Wohnung in den Tod deportiert
Zwei Monate nach ihrem 71. Geburtstag wurde Rosa Ebert am 25. Januar 1942 aus der Schützenstraße 2 nach Riga abtransportiert.
In gedeckten Güterwagen fuhr der 10. Osttransport mit 1.044 Menschen vom Bahnhof Grunewald ab. Die Menschen waren vollkommen ungeschützt der Kälte ausgesetzt. Die Deportierten waren mehrheitlich über 60 Jahre alt, darunter viele Bewohner verschiedener Altersheime: 501 Menschen waren zwischen 61 und 70 Jahre alt und 103 Menschen zwischen 71 und 80 Jahre.
Bei der Ankunft am 30.1.1942 in Riga-Skirotava waren viele bereits erfroren oder geistig verwirrt und wurden sofort erschossen.
Viele Jahre als Nachbarin von Nazis bedrängt
Rosa Marcus wurde am 23. November 1871 in Breslau geboren. Sie heiratete Franz Ebert, der aus Posen stammte. Franz Ebert war am 12.05.1870 geboren und laut Angabe der Nichte Hertha Regel nicht jüdisch. In Berlin war er als vereidigter Regierungssachverständiger tätig. Das Ehepaar war gut situiert. 1906 kauften sie bei der Firma Schmidt und Zeitler, Charlottenstr. 10 in Kreuzberg die Ausstattung für eine großzügige Vier-Zimmer-Wohnung.
In Steglitz wohnte das Ehepaar seit 1. Oktober 1919 in Südende, Lindenstraße 5. Dies ist heute der Biberacher Weg, Ecke Ellwanger Straße. Kinder wurden nicht geboren.
Sechs Jahre später, im Oktober 1925, zogen sie in die Schützenstraße 2, Vorderhaus, 1. Stock. Für diese Wohnung wurden bei der Firma Willstäd & Co, Albrechtstr. 7, ein Schreibtisch und bei der Möbelfabrik Schröder, Lindenstr. 11, Flurgarderobe, Sessel und ein Rauchtisch gekauft.
1927 starb Franz Ebert. Die Witwe Rosa lebte bis zu ihrer Deportation 1942 weitere 15 Jahre in der Schützenstraße 2. In dieser Zeit wurde sie von den Nazis entrechtet, musste den Judenstern tragen und verarmte.
Jahrelanges Wiedergutmachungsverfahren mit unklarem Ausgang
Für Rosa Ebert finden sich kaum Spuren zu ihrem Leben. Die Nichte, Hertha Regel, 1910 geborene Eichner, stellte 1957 einen Entschädigungsantrag wegen des verlorenen Hausrats. Sie war die Tochter von Rosa Eberts Schwester Henriette Marcus, verheiratete Eichner.
Ihren Entschädigungsantrag begründete Hertha Regel damit, dass sie von ihrer Tante Rosa selbst noch als Erbin bestimmt worden sei: Rosa Ebert habe ihr die vorhandenen Rechnungen der Möbelfirmen aus den Jahren 1906 und 1925/26 unmittelbar vor der Deportation übergeben. Die nachgewiesenen Rechnungen beliefen sich in der Summe auf knapp 5.000 Reichsmark, Hertha Regel beantragte 10.000 DM.
Das Verfahren wurde zwischen Entschädigungsamt und Wiedergutmachungsamt jahrelang hin- und her geschoben. Beim Polizeipräsident wurde 1959 abgefragt, ob es zu Hertha Regel einen Eintrag ins Strafregister gäbe. 1968 beantragte der Rechtsanwalt, das Entschädigungsverfahren einzuleiten. Im April 1971 forderte das Wiedergutmachungsamt nochmals die Akten vom Entschädigungsamt an.
Über den Ausgang des Verfahrens könnten gegebenenfalls die beim Berlin-Brandenburgischen Landeshauptarchiv lagernden Akten Aufschluss geben. Diese dürfen jedoch aufgrund von datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht eingesehen werden.
Mehrere Nichten überlebten, obwohl ein Elternteil jüdisch war
In den vorliegenden Akten finden sich keine Angaben von Hertha Regler zu den Geburts- oder Sterbedaten ihrer Mutter Henriette, der Schwester von Rosa Ebert. Vermutlich verstarb Henriette bereits vor Beginn der Deportationen, da sie nicht im Gedenkbuch oder in den Deportationslisten verzeichnet ist. Obwohl Hertha ihre Mutter Henriette und ihre Tante Rosa als „Volljüdinnen“ bezeichnete, wurde sie selbst offenbar nicht von den Nazis verfolgt.
Hertha gab in ihrem Antrag auf Entschädigung zwei weitere Frauen als Erbinnen an: Lucie, 1915 geboren und Lotte, 1916 geboren, beide unter dem Namen Marcus. Hertha Regler hat in dem vorliegenden Entschädigungsantrag keine Angaben dazu gemacht, in welchem Verhältnis Lucie und Lotte zueinander sowie zu Hertha standen. So könnten die beiden Frauen sowohl Schwestern von Hertha, aber auch Kusinen, also Töchter von Siegfried Marcus sein.
Rosas Bruder wurde im KZ Sachsenhausen umgebracht
Aus dem von der Nichte Hertha Regler gestellten Entschädigungsantrag geht hervor, dass die Schwestern Rosa und Henriette Marcus einen Bruder hatten: Siegfried Marcus wurde am 27. November 1873 in Breslau geboren.
Im jüdischen Adressbuch von 1931 sind insgesamt vier Menschen mit Namen Siegfried Marcus aufgeführt, jedoch keiner mit der letzten bekannten Adresse in Berlin Mitte, Lietzmannstraße 5. In den Berliner Adressbüchern ist Rosas Bruder weder 1935 noch 1941 unter dieser Adresse zu finden.
Von ihm ist nur bekannt, dass er am 27. Mai 1942 mit 69 Jahren im Rahmen der „Sonderaktion“ verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht wurde. Dort wurde er am 28. Mai 1942 getötet. In der von der Gestapo angelegten Namensliste der „Sonderkation vom 27./28. Mai 1942“ wurde die Adresse Lietzmannstraße 5 handschriftlich in 1 Berlin 62, Gerlachstraße 5 korrigiert.
Bei der "Sonderaktion" wurden 500 jüdische Menschen als Vergeltungsaktion zu einem Anschlag gegen die antikommunistische Ausstellung „Das Sowjetparadies“ im Lustgarten verhaftet und ermordet – völlig unabhängig von einer Beteiligung. Der Brandanschlag wurde von der jüdischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum durchgeführt. Eine Gedenktafel im Lustgarten und ein Ehrengrab für Herbert Baum auf dem Jüdischen Friedhof in Weissensee erinnert daran.
Text und Recherche: Sabine Davids
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