Siegfried und Frieda Cohn

Fuhrgeschäft in der Schützenstraße 49

Viele Jahre wohnte Siegfried Cohn in der Schützenstraße 49, Berlin Steglitz. Dort betrieb er ein Fuhrgeschäft. Er wurde am 1. November 1869 in Landeshut, Schlesien, geboren. Schon 1926 konnte man ihn im Berliner Adressbuch mit seinem Fuhrgeschäft finden. Als Mitglied der Jüdischen Gemeinde von Berlin war er auch 1931 im Jüdischen Adressbuch verzeichnet. 1941 lebte er noch in der Schützenstraße 49, im Adressbuch als „Cohn, Siegfried Israel, Rentier“ vermerkt.

1942 musste Siegfried im April mit seiner Ehefrau Frieda in eine Kellerwohnung im Hof der Bülowstraße 73, Berlin-Schöneberg umziehen. Wie es dazu gekommen ist, kann man heute kaum mehr nachvollziehen. In den Berliner Archiven ist lediglich eine einzige Spur zu finden.


Vermögenserklärung als letztes Lebenszeichen

Im Berlin-Brandenburgischen Landeshauptarchiv ist die „Verfügung“ vom 1.10.1942 aufbewahrt, aufgrund der „das gesamte Vermögen des Siegfried Israel Cohn zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen“ wurde. Grundlage: das Gesetz zur „Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 – in Verbindung mit dem Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 … in Verbindung mit dem Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941.“

Die dazugehörige Vermögenserklärung musste Siegfried Cohn am 8. Dezember 1942 ausfüllen. Auf insgesamt 16 Seiten wurden detailliert Angaben zur Wohnungseinrichtung, Miete, Bargeldbestand, Liegenschaften, Gehalt oder Renteneinkommen, gewerblichem Eigentum sowie Kunst- und Wertgegenständen abgefragt. Selbst Geschirr und Besteck sowie Kleidungsstücke und Bettwaren mussten einzeln aufgeführt werden.

Am 11. Dezember 1942 musste Siegfried Cohn den Keller in der Bülowstrasse verlassen und ins Altersheim Gerlachstraße 18/21 in Berlin-Mitte ziehen. Dies war zu einem Sammellager umfunktioniert worden.

Am 16.12.42 wurde Siegfried Cohn mit weiteren 100 Menschen im 77. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Die Gruppe fuhr in einem Sonderwagen, der an einem planmäßigen Zug angehängt war, vom Anhalter Bahnhof ab.

Als Todesdatum von Siegfried Cohn ist der 28. Mai 1943 angegeben.
 

Ehefrau Frieda wurde zuerst in den Tod geschickt

Frieda Tempelberg wurde am 23. Januar 1891 in Breslau geboren. Seit wann die 21 Jahre jüngere Frau mit Siegfried Cohn verheiratet war, ob sie Kinder hatten, ist nicht bekannt. Auch von ihr gibt es als einzige Spur nur noch die Vermögenserklärung, die sie am 7. Dezember 1942 ausfüllen musste.

Danach besaß das Ehepaar: 1 Kleiderschrank, 1 Bett, je 2 Unterbetten, Kopfkissen und Federbetten, 1 Nachttisch, 1 Waschtisch, 1 Deckenlampe, 1 Couch, 4 Stühle, 1 Esstisch, diverse Kochtöpfe und Küchengeschirr. Die Miete für Stube und Kochstelle der Kellerwohnung im Hof der Bülowstraße 73 war bis 31.12.1942 bezahlt.

Frieda Cohn musste sofort die Wohnung verlassen und sich im Sammellager Große Hamburger Straße 26 einfinden. Am 9. Dezember 1942 wurde sie von Moabit mit weiteren 993 Menschen nach Auschwitz deportiert. Am 10.12.1942 erreichte der Transport das Vernichtungslager.

Frieda Cohn wurde sofort getötet.


In Zwangsarbeit

Aus den Vermögenserklärungen geht hervor, dass der 73-jährige Siegfried Cohn als Fabrikarbeiter bei C. J. Vogel, Kabelwerk Köpenick Zwangsarbeit geleistet hat. Frieda Cohn arbeitete als Küchenhilfe in der Joachimsthalerstraße 5.

Die noch ausstehenden Löhne für Dezember 1942 wurden ebenso dem Reichsvermögen zugeführt wie die Kaution für die Kellerwohnung und der Erlös für die Möbel des Ehepaares. Gegengerechnet wurden Gebühren für die Schätzung des Vermögens.
 

„Mietschulden“ wurden vom Reich beglichen

Der Verwalter der Bülowstraße 73 beschwerte sich am 17.11.1943 bei der Oberfinanzdirektion, dass er die Wohnung erst im Juli 1943 weitervermieten konnte: „Die Jüdin wurde Ende Dezember 42 evakuiert. Deshalb schuldet sie mir die Miete ab 1.1.1943 bis 1.7.1943.“ Am 24.3.1944 mahnt der Verwalter die ausstehenden Mietschulden erneut an: “… habe ich die Überweisung bisher nicht erhalten.“

Die Bewag meldete sich am 31.5.1943 wegen einer „Schuld für Stromverbrauch laut Rechnung vom 25.5.1943“ in Höhe von 1,77 Reichsmark nach Verrechnung mit Kaution und Zinsgutschrift.

Am 26.12.1944 schreibt der neue Verwalter, es sei die Rechnung für die Renovierung der Wohnung Cohn plus die Monatsmiete für Juli 1943 zu begleichen. Nach einer erneuten Mahnung vom 17.2.1945 zahlt der Oberfinanzkassenpräsident am 14.3.1945 die geforderten Beträge.
 

Text und Recherche: Sabine Davids

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