Auf einer Entdeckungsreise zum Thema Taufe stellen die vier Gemeinden der Region Lichterfelde die Taufsteine und Taufschalen in ihren Kirchen mit kurzen Geschichten vor:
Ev. Johannes-Kirchengemeinde
Ev. Johann-Sebastian-Bach-Kirchengemeinde
Ev. Paulus-Kirchengemeinde Lichterfelde
Ev. Kirchengemeinde Petrus-Giesensdorf
Die Martin-Luther-Gemeinde Lichterfelde liegt räumlich gesehen in dem gleichnamigen Ortsteil Lichterfelde, gehört aber zum Sprengel Steglitz Nord. Eine Beschreibung des Taufsteines finden Sie dort...
In der Region Lichterfelde liegt auch das ehemalige Klinikum Steglitz, jetzt Charité - Campus Benjamin Franklin (CBF), mit einem Seelsorgeangebot der Evangelischen und der Katholischen Kirche und einer Kapelle innerhalb des Klinikgebäudes.
Man kommt nicht an ihm vorbei, am Muschelkalk-Taufstein der Johanneskirche. In der Mitte des Altarraumes, unverrückbar. Wenn ich als Gottesdienstbesucherin meinen Blick durch den Mittelgang zum Kreuz hin schweifen lasse, geht er unwillkürlich über den Taufstein zum Kreuz. Taufstein und Kreuz bilden eine Achse. Zufall? Auf verschwommenen schwarz-weiß Fotos kurz nach der Einweihung 1914 sieht man den Taufstein im Altarraum noch rechts angeordnet. Wie das Abendmahlsgeschirr wurde auch der Taufstein, die Taufkanne und die silberne Taufschale von Gemeindemitgliedern gestiftet. Die Taufkanne war ein Geschenk der politischen Gemeinde, während die Taufschale eine private Spende war. Sie trägt die Inschrift: Gewidmet von den Schwestern der Loge „Drei Lichter im Felde“. Ich wüsste zu gern, wer diese „Schwestern“ waren, was sie mit dem Sakrament der Taufe verbanden, dass sie mit ihrer Spende möglich machten.
Als 1964/65 die Gemeinde einen großen Umbau des Kirchsaals vornahm und sich von der wilhelminisch-anmutenden Inneneinrichtung trennte, da rückte der Taufstein in die Mitte des Altarraumes. Dort bildet er einen ruhenden Pol in der Hauptachse zum Altar. Der Blick des Gottesdienstbesuchers wandert über den Taufstein hin zum Kreuz auf dem Altar. Das ist kein Zufall, die Anordnung erinnert daran, dass wir mit der Taufe Anteil am Sterben und Auferstehen Christi haben, wie es Paulus im Römerbrief sagt.
Wir lesen eher selten die paulinischen Worte bei einer Taufe. Ein Kind im Arm haltend, die Freude über das zarte, neue Leben: An der typischen Taufe (Babytaufe) brechen sich die Worte von Paulus über die Taufe, mit der wir Anteil am Sterben und Auferstehen haben. Sie wirken hart, zur Situation nicht passend. Aber ich erinnere mich an einen Ostermorgen: Anna, dreifache Mutter und Ärztin, hatte gerade die Diagnose MS, Multiple Sklerose, erhalten. Die Taubheitsgefühle, das war nicht der Müdigkeit durch die Dienste und dem mausgrauen Februar geschuldet, nein, es waren Zeichen dieser fiesen Nervenkrankheit, die, wenn sie voranschreitet, Lähmungen mit sich bringt.
Wie nun weitermachen? Die Arbeit aufgeben? Die Kräfte bündeln, um mit der Krankheit umzugehen und für die Familie da zu sein? Die Gedanken kreisen. Lähmung und Ohnmacht machen sich breit. Als Anna in die Osternacht geht, ist die Kirche dunkel und kalt; "Christus ist das Licht" singen sie und reichen das Licht weiter; bei der Tauferinnerung hört sie die Worte von Paulus aus dem Römerbrief, hört, dass wir mit der Taufe auf den Tod Christi getauft sind, damit auch wir danach mit ihm Anteil an der Auferstehung haben, damit - wie es bei Paulus heißt - auch wir in der Wirklichkeit eines neuen Lebens unseren Weg gehen. (Römer 6). Das ist es, denkt Anna, ich brauche die Wirklichkeit eines neuen Lebens. Schritt für Schritt zurückkommen ins Leben, die Lähmung überwinden, ein Leben mit der Krankheit finden.
Der Taufstein in der Johanneskirche erinnert daran, dass wir mit der Taufe immer wieder die Wirklichkeit eines neuen, auferstandenen Lebens eröffnen können.
Pfarrerin Ulrike Klehmet
Das dreijährige Kind schaute skeptisch: Damit soll etwas mit ihm passieren? Eine große runde Schale auf vier Beinen war zu sehen; die Pfarrerin zog das Ganze etwas umständlich in die Mitte: „Hier sollst Du getauft werden. Ich fülle Wasser in die Schale. So!“ sagt sie Pfarrerin. Und es wurde eine Kanne mit Wasser hervorgeholt und das Wasser eingegossen. Auch eine kleine Treppe bringt sie. „Du wirst dann hier stehen. Möchtest Du mal?“ Zögerlich steigt das Kind auf die Stufe und schaut.
So geht das immer mal wieder zu in der kleinen runden Kirche am Thuner Platz in Lichterfelde. Denn heutzutage werden nicht unbedingt nur die ganz Kleinen getauft, sondern Kinder jeden Alters und manchmal auch Erwachsene. Im letzten Jahr waren es 27 Menschen.
Viele sind hier über die Jahre und Jahrzehnte getauft worden. Sie sind alle verzeichnet im riesigen Kirchenbuch, das bis 2017 handschriftlich geführt wurde. Es ist dann immer eine Freude und berührend, mit jemandem nach dessen Eintragung zu suchen. Doch zurück zum Taufbecken. Eine interessante Frage ist: Seit wann gibt es dieses Taufbecken in der Bachkirche eigentlich? Die Spuren der Nutzung an den Metallbeinen und der Schale sind nicht zu übersehen. Die Antwort kommt von Pfarrer Kleiner, dem inzwischen 95-jährigen Gründungspfarrer der Bach-Gemeinde: „Das Wohngebiet gehörte ja mal zur Johannesgemeinde. Als wir 1969 die Region selbstständig machten, da war am Thuner Platz nichts als eine vom Krieg gezeichnete Brache. So erhielten wir ein Holz-Gemeindehaus aus der Daniel-Gemeinde in Wilmersdorf. Und das ganze Inventar - und auch die Taufschale - bekamen wir mit.“ Die erste Taufe hier vor Ort fand dann gleich am Sonntag nach der Einweihung des Gemeindehauses statt. Das war am 18. Februar 1968 und getauft wurde der fünfmonatige Sohn des Pfarrers.
So ist die Zahl der an diesem Taufbecken Getauften also noch viel größer als gedacht. Schon seit den frühen Nachkriegsjahren wurde das Becken genutzt. Wir in der Bachgemeinde freuen uns daran, dass unsere Taufe so mobil ist. Wir können sie tragen wohin wir wollen. Seit wir in der Corona-Zeit gelernt haben, wie schön es ist, Gottesdienste draußen zu feiern, taufen wir auch unter freiem Himmel. Das hat manche Vorzüge: Mobile Kinder können bis zu ihrer Taufe im Garten noch etwas herumsausen und auch die Vorbeigehenden haben Teil an der Freude, die sich besonders bei Taufgottesdiensten ausbreitet. Und dann ist ja auch der Himmel ganz offen, der Schöpfer fühlt sich viel näher an.
Die Dreijährige, die mit ihren Eltern in der Kirche ihre Taufe vorbereitet, steht auf dem Treppchen am Taufbecken in der Kirche und schaut zu Mama. Diese nickt ermunternd. Da richtet sie sich kerzengerade auf und schaut erwartungsvoll die Pfarrerin an. Eigentlich könnte es gleich losgehen.
Pfarrerin Brigitte Schöne, Johann-Sebastian-Bach-Kirchengemeinde Lichterfelde
Der Taufstein in der Pauluskirche ist beweglich. Groß und schwer sieht er aus, etwas schwerfällig ist er, aber auf Rädern. So lässt er sich zur Taufe in die Mitte stellen, und für Konzerte kann er leicht an die Seite geschoben werden. Das Taufbecken ist mit der Renovierung von 1987 in die Pauluskirche eingezogen und hat seitdem viele Taufen erlebt.
Die Taufe ist einmalig. Einmal getauft, gilt sie für das ganze Leben. Feiern lässt sich dies häufiger. In Paulus laden wir jedes Jahr zur Tauferinnerung ein. In einem Jahr fiel dies mit Pfingsten zusammen, dem Fest des Heiligen Geistes, der Menschen in allen Sprachen erreichte. Beides gehört zusammen, denn getauft wird in vielen Sprachen – und es ist eine Taufe. Ich bin und bleibe getauft, wohin ich auch gehe.
Zu diesem Tauferinnerungsfest hatten wir Menschen aus Paulus mit anderer Muttersprache gebeten, das Wort Frieden in ihrer Sprache auf eine Karte zu schreiben. An diesem Pfingstfest stand das Taufbecken in der Mitte. Wer im Jahr davor getauft worden war, zündete noch einmal seine Taufkerze an und stellte sie auf das Taufbecken.
Und dann breitete sich Friede in der Kirche aus: Jemand las Peace und heftete das Wort an das Taufbecken, ein anderer Paz, eine las auf Russisch und ein anderer auf Arabisch. Wieder jemand hatte das Wort auf Ungarisch geschrieben, auf Latein, auf Ukrainisch, auf Französisch, auf Hebräisch. Alle diese Worte hängten am Taufbecken. Jeder konnte sie in seiner Sprache lesen.
In manchen Momenten stehe ich am Taufbecken und sehe vor meinem inneren Auge all die Friedensbotschaften. Taufe und Frieden gehören auf wundersame Weise zusammen.
Pfarrerin Barbara Neubert, Paulus-Kirchengemeinde Lichterfelde
Die Petruskirche auf dem Oberhofer Platz blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. In ihrem Inneren ist nichts mehr, wie es zur Einweihung im Dezember 1898 war. Wie die meisten Kirchen in Berlin wurde sie während des Kriegs beschädigt und schließlich zur „Materialgewinnung“ freigegeben. Über viele Jahre wurde sie mühevoll wieder hergerichtet. Zuletzt ist sie in den Achtzigerjahren mit der Vorgabe umgebaut worden, dass ihr Raum variabler und multifunktionaler werden möge.
So wurden etwa die Bänke durch Stühle und ein massiver Taufstein durch einen Ständer aus dunklem Holz ersetzt, der zwar meistens rechts vor dem Altarraum steht, aber auch beliebig seinen Platz wechseln kann.
So kann man einen Täufling etwa mit einem Stuhlkreis in der Mitte der Kirche umschließen. Der Ort der Taufe ist in der Petruskirche veränderlich, kein schwerer Stein markiert die Stelle. Die Aufregung und Ehrfurcht in den Augen der Menschen aber, die zur Taufe heran treten oder ein Kind herbei tragen, ist jedes Mal so groß, als würde dort ein imposant gemeißeltes Kunstwerk auf sie warten.
Eine hübsche silberne Taufschale wird zu den Gottesdiensten in den sonst recht reizlosen Ständer eingelegt. „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen ist das Reich Gottes“, ist in den Rand der Schale eingraviert.
Mir gefällt der Gedanke, dass, auf den beweglichen Taufständer übertragen, „zu mir“ keinen festen Ort bedeuten muss. Komm zu mir, wir feiern Taufe: In der Kirche, im Garten oder wie am Anfang im Fluss, der ständig in Bewegung ist.
Pfarrerin Laura Wizisla
Am Taufstein der Dorfkirche Giesensdorf trifft geschliffener Stein auf rauen Stein, sanfte Rundung auf scharfe Kanten, dunkel auf hell. Es ist ein Taufstein der Gegensätze und durch seine Schale verläuft ein Riss. Irgendwann muss sie zerbrochen und wieder zusammengefügt worden sein, wie eine Ader verläuft der Riss durch ihre Mitte. Der Taufstein stammt aus den Fünfzigerjahren, aus der Zeit des Wiederaufbaus der Dorfkirche, die 1945 bis auf die Grundmauern niedergebrannt war. Die Ursprünge der kleine Kirche im Süden von Berlin, da wo die große Stadt bald zu Ende geht, reichen bis in das 13. Jahrhundert zurück. Dass sie einmal in ein beschauliches Dorf eingebettet war, lässt sich nur noch an ihrer geringen Größe vermuten. Heute ist sie umgeben von ständigem Verkehrslärm und fast ebenso ständigen Baustellen.
Viele Menschen, die auf dem Ostpreußendamm oder der Osdorfer Straße, die sich vor den Toren des Kirchhofs treffen, regelmäßig unterwegs sind, wissen dennoch nicht, dass sich hinter den unscheinbaren Hecken eine Kirche verbirgt. Denn die Dorfkirche hat keinen Turm, sondern nur einen kleinen Dachreiter, in dem eine Glocke hängt, die noch immer manuell geläutet wird. Der kleinen Friedhof, der die Kirche umschließt, ist eine Oase für viele Vögel, die ringsum vor lauter Asphalt keinen Landeplatz gefunden haben. Es zwitschert über das Rauschen der Autos hinweg.
Am Taufstein, von den dicken Kirchenmauern umschlossen, ist es still. Es geht ein Riss durch seine Mitte. So taufen wir mit Rissen.
Draußen der Lärm und alles, was einmal war, und jetzt zerstört ist.
Drinnen Hoffnung.
Und Segen.
Pfarrerin Laura Wizisla
Wir taufen nicht oft in unserer Klinikumskapelle. Aber wenn es geschieht, ist es immer etwas Besonderes. Unsere Taufen sind Lebensfeste, gerade hier an diesem Ort, wo das Leben schnell infrage steht. Nicht wenige Menschen suchen nach Vergewisserung und es kann geschehen, dass sie dabei Essentielles für sich entdecken und sich auch dem zuwenden, was sie im Letzten hält und trägt. Wer sich dann zur Taufe entschließt, darf darauf vertrauen, dass er von Gott umgeben und gesegnet ist, was immer auch kommen mag.
Vor Kurzem habe ich mit meinem Kollegen, Pfarrer Hans-Georg Scharnbeck, über unsere Taufgottesdienste hier im Krankenhaus gesprochen und wir haben manche Erinnerung aufleben lassen. Da war die junge Frau, die während ihrer langen Behandlungszeit auch zu Seelsorgegesprächen kam und dabei den Glauben für sich entdeckte. Aber auch der Patient, der sich nach geglückter Operation gemeinsam mit seinem achtjährigen Sohn taufen ließ; die Intensivschwester, mit deren beiden Jungen wir ein schönes Tauffest hatten; der alte Herr, der das Zeitliche nicht segnen wollte ohne sich vorher zu Gott zu bekennen – sie alle standen uns wieder lebendig vor Augen. Und dann haben uns zwei Menschen sogar ihre eigenen Erinnerungen geschenkt:
Die eine ist die Uroma eines Täuflings und schreibt: „Mein Mann lag mit einer schweren Krebserkrankung im CBF. Deshalb wollte meine Enkelin, dass ihr kleiner Sohn in der Klinikumskapelle getauft wird. Mein Mann sollte unbedingt dabei sein – es war ja sein erster Urenkel. Doch für den Weg in die Ortsgemeinde hätte seine Kraft nicht gereicht. Also führten wir ein Gespräch mit Frau Sachse. Sie gab uns gleich die Zusage: Ja, das machen wir.
Dann kam der große Tag. Der Altar war mit weißen und blauen Tüchern, vielen Teelichtern, dem Taufwasser und der Taufkerze festlich geschmückt. Die Predigt war anrührend, unser Täufling so wach und aufmerksam. Auf Wunsch seiner Mutter erhielt er den Taufspruch seines Uropas. Ja, und nach dem Gottesdienst saßen wir alle noch bei Kaffee und Kuchen in der wunderschönen Kapelle. Mein Mann war dabei und überglücklich.“
Die zweite Frau hat durch ihre ehrenamtliche Arbeit zum Glauben gefunden und sich bald entschlossen, sich auch taufen zu lassen. Sie sagt: „Ich erinnere mich an die warme Atmosphäre in der Kapelle mit der kleinen Gemeinde und meinen Taufpaten aus der ehrenamtlichen Besuchsdienstgruppe. Dann war da der Tauftisch mit seiner regenbogenfarbenen Decke und den Streublümchen darauf; dazu die wunderbaren bunten Glasfenster, die die Kapelle in ein warmes Licht tauchten. All das wirkte auf mich wie ein Willkommensgruß in eine neue Welt. In der Taufe wurde meine Sehnsucht nach Zugehörigkeit in die kirchliche Gemeinschaft erfüllt. Ich fühlte mich jetzt auch freier und sicherer in meinem Ehrenamt, vor allem, wenn ich Gebete und den Segen für andere Menschen sprechen darf. Ja, bis heute fühle ich mich durch meine Taufe innig umarmt und durch alle Zeiten getragen.“
Pfarrerin Annette Sachse