Zum Steglitzer Orgeljahr 2022 stellen wir Ihnen an dieser Stelle nach und nach die Orgeln der Region Lankwitz vor. Sie erfahren etwas zur Historie sowie zu Besonderheiten der einzelnen Orgeln und können Klangproben erleben.
Zu der Region Lankwitz gehören vier Gemeinden unseres Kirchenkreises:
Ev. Dietrich-Bonhoeffer-Kirchengemeinde
Ev. Dorfkirchengemeinde Lankwitz
Ev. Dreifaltigkeits-Kirchengemeinde
Ev. Paul-Schneider-Kirchengemeinde
Die Orgel der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde wurde 1973 von der Orgelbaufirma Oberlinger aus Windesheim in Rheinland-Pfalz erbaut und besitzt 21 klangliche Register. Die zweimanualige Orgel gehört eher zu den kleineren Instrumenten und ist vorn neben dem Altarbereich gut sichtbar. Ungewöhnlich ist ihre unsymmetrische Bauweise, wobei das Pfeifenwerk der einzelnen drei Werke (Hauptwerk, Brustwerk und Pedal) in einem jeweils eigenen Gehäuseteil steht.
Vor etwa 5 Jahren wurde die Orgel von Orgelbaumeister Jörg Stegmüller aufwendig gereinigt und überholt. Dabei wurde auch das Brustwerk zu einem Schwellwerk umgebaut. Der Klang kann nun mittels eines Handschwellers reguliert und das Spektrum der Klangzusammenstellung und der Dynamik erweitert werden. Zur Klangverschönerung wurde ein Register ausgetauscht und eine zart-klingende Traversflöte erfreut nun die Zuhörer.
Die vorherige Schärfe der Klangkronen, die zeittypisch für den Nachkriegsorgelbau ist, wurde reduziert und die rund 1650 Pfeifen klingen nun ausgewogen und schön. Insgesamt ist die Klangvielfalt dieser eher kleineren Orgel immer wieder eine Freude und sie überrascht mit dem, was in ihr steckt: sie ist sonntags in den Gottesdiensten und zu besonderen Anlässen und Konzerten zu hören.
Termine erfahren Sie unter: www.lankwitzer-kirchengemeinden.de
Jana Czekanowski-Frankmar
Die Feldstein-Mauern der Dorfkirche Alt-Lankwitz stammen aus dem Mittelalter, später wurde diese Kirche entsprechend dem jeweiligen Bedarf erweitert. Die „barocken“ hohen und breiten Fenster stammen aus der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg. Hinweisen im Internet und teilweise in der Literatur zufolge soll um 1880 eine erste Orgel eingebaut worden sein. 1927 wurde von der renommierten Orgelfirma Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder eine neue oder erweiterte Orgel eingebaut, diese verbrannte in der Bombennacht im August 1943. Leider sind bisher keinerlei Details zu diesen beiden Orgeln auffindbar.
Seit 1956 steht auf der Empore die einmanualige Orgel der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke GmbH aus Berlin-Zehlendorf (Opus 40) mit mechanischer Traktur mit 5 Manualregistern und dem Untersatz 16‘ im Pedal (vergleichbar dem Kontrabaß im Orchester). Sie leistet einen Beitrag zum Gotteslob in Gottesdiensten, Trauungen und Konzerten. Trotz geringem Registerbestand lernte ich ihr beachtliches musikalisches Spektrum über sämtliche musikalischen Epochen und Stile in 37 Jahren als Dorfkirchenkantor schätzen. Allerdings setzt der technische Rahmen bedingt durch die eine einzige Klaviatur gewisse Grenzen, die nicht in jedem Fall durch Kunstgriffe überwindbar sind.
Unseren Ohren und Herzen werden durch meisterhafte Intonation leise Klänge zur Begleitung von Instrumenten und Sängerinnen und Sängern geschenkt, mittlere Lautstärken für den Gemeindegesang bis hin zum raumfüllenden organo-pleno. Butterweicher Anschlag ermöglicht differenziertes Orgelspiel. Immer wieder aufs Neue inspirierte mich in meiner langen Kantoren-Zeit diese Orgel und ließ mich nie im Stich, „Langeweile“ kam niemals auf. Möge sie noch lange zur Ehre Gottes und den Menschen zur Erbauung erklingen.
Jörg Biedermann
Die erste Orgel, die für die Dreifaltigkeitskirche von der Firma W. Sauer (Frankfurt/Oder) erbaut und mit der Kirche am 11.6.1906 eingeweiht worden war, wurde in der Lankwitzer Bombennacht am 23./24. August 1943 stark beschädigt und 1948 abgebaut. Alte Lankwitzer erzählen, dass die Pfeifen durch die Hitze des Feuers von alleine erklangen und „jaulten“. Mitte der 60er Jahre, als auch der Turm wieder aufgesetzt wurde, entschloss sich die Gemeinde zu einem Neubau der Orgel durch die Firma E. F. Walcker (Ludwigsburg), die zu der Zeit viele Orgeln in Berlin errichtete.
Mit 32 Registern, die auf 3 Manuale und das Pedal verteilt sind, gehört das op. 4531 zu den größeren Instrumenten in Steglitz. Die Abnahme erfolgte im Juli 1966. Gut zwanzig Jahre später wurde sie 1987 von dem Berliner Orgelbaumeister Roman Ilisch gereinigt und um 2 Register klanglich erweitert (ein Choralbaß 4‘ im Pedal und eine Sesquialtera 2f. im Schwellwerk).
Nach dem Vorbild der „midifizierten“ Orgel in Hamburg-Blankenese, die ich besuchte, um mich zu informieren, entschloss ich mich, auch die Orgel der Dreifaltigkeitskirche elektronisch aufzurüsten und beantragte 1993 die Erweiterung. Daniel Knoll führte die Arbeiten aus. Er nutzte die elektrischen Koppelkontakte und baute eine digitale Schnittschnelle, mit der synthetische Klänge parallel genutzt werden können. Inzwischen – 30 Jahre später – rüsten immer mehr Kolleg:innen ihre Orgeln auf diese digitalen Möglichkeiten hin um.
Zum 50-jährigen Jubiläum der Orgel war es an der Zeit, sie einer Generalüberholung zu unterziehen. Firma A. Schuke aus Potsdam bekam 2018 den Auftrag. Bei der Gelegenheit wurden zwei Register umgebaut, um die klanglichen Möglichkeiten zu verbessern (aus dem Gedacktbaß 16‘ des Pedals wurde ein Quintbass 10 2/3‘, der akustisch einem 32‘ gleicht, und aus der Trompete 4‘ des Schwellwerks eine weitere Trompete 8‘).
Mit der Orgel in der Dreifaltigkeitskirche kann die Bandbreite der alten und neuen Orgelliteratur recht gut dargestellt werden. Sie ist keine echte Barockorgel, auch keine echte romantische oder moderne, vielleicht passt der Begriff „Kompromissorgel“, denn sie soll vielfältigen Aufgaben dienen: die Gemeinde beim Singen begleiten, als korrespondierendes Instrument für Kammermusik zur Verfügung stehen, solistisch bei originaler Orgelliteratur glänzen, sich für zeitgenössische Entwicklungen öffnen können. Dass die Lankwitzer sie als kostbares Instrument ansehen, zeigte die hohe Spendenbereitschaft, die für die Generalüberholung notwendig war.
KMD Christian Finke
Die kleine Walcker-Orgel op. 3929 (II+P/10) stammt aus dem Jahr 1960 und stand über 45 Jahre lang an der nördlichen Wand des Paul-Schneider-Kirchsaals. Sie wurde im Zuge einer großen energetischen Sanierung des Paul-Schneider-Gemeindezentrums an die südliche Saalwand verlegt, sodass das Eintreten und Verlassen des Saales nicht länger mit einer „Pirouette“ um die Orgel verbunden sein muss.
Ihre Original-Disposition war wie folgt:
I. Manual (C-g'''): Rohrflöte 8', Prinzipal 4', Schwiegel 2', Mixtur 3-4 fach.
II. Manual (C-g'''): Singend Gedackt 8', Nachthorn 4', Oct. 2', Zimbel 2 fach.
Pedal (C-f'): Subbass 16', Gedacktpommer 4'. Koppeln: I/II - P/I – P/ II.
Anlässlich einer Generalreinigung und Umintonation durch die Eberswalder Orgelbauwerkstatt Ulrich Fahlberg in den 1990er Jahren wurde die Zimbel im 2. Manual durch die Quinte 2 2/3' ersetzt. Die Verlegung der Orgel an die südliche Saalwand durch die Orgelbauwerkstatt Dieter Noeske erfolgte nach 2005 im Zusammenhang mit einer weiteren Generalreinigung und Umintonation und dem Austausch der Octave 2' gegen eine neue Gambe 8' und dem Austausch von Choralbass 4' gegen eine neue Zungenstimme Fagott 8' im Pedal.
Das Originalinstrument von 1960 - im Opusbuch von Walcker-Orgelbau seinerzeit als Orgelpositiv vermerkt - war geprägt vom Klangstil der „Orgelbewegung“: Besonders in den hohen Tönen wurde ein hörbares kräftiges „Schillern“ angestrebt, während die tiefen Töne eher leise, fast ein wenig heiser klingen sollten. Mit den späteren Intonationsänderungen und den neuen Orgelregistern sollte ein grundtönigerer Klang erzeugt werden, wenngleich die Konstruktionsmerkmale der Firma Walcker (enge Pfeifen, die auf engstem Raum platziert sind) per se nicht viel Spielraum zur Umintonation setzen.
Die heutige Disposition lautet:
I. Manual (C-g'''): Rohrflöte 8', Prinzipal 4', Schwiegel 2', Mixtur 3-4 fach.
II. Manual (C-g'''): Singend Gedackt 8', Gambe 8', Nachthorn 4', Quinte 2 2/3'.
Pedal (C-f'): Subbass 16', Fagott 8'. Koppeln: I/II - P/I – P/ II.
Mechanische Spiel- und Registertraktur.
Regina North, nach Erinnerungen von Jörg Biedermann