Fachtag Kinderschutz in Kitas

Milchschnitten sind keine Kindeswohlgefährdung

Berlin, 12.10.23. Er ist ausgewiesener Experte für Kinderrechte und Mitbegründer des Berliner Kinderschutzzentrums: Jörg Maywald bildete Ende September im Paulus-Zentrum Kita-Leitungen, Erzieherinnen und Trägervertretungen der 17 Steglitzer Kitas bei einem Fachtag zum Kinderschutz fort. Interaktive Einheiten, vertiefende Informationen und Beispiele aus dem echten Leben brachten die Teilnehmenden ins Gespräch und die Dinge auf den Punkt: „Eltern können sehr viel Blödsinn mit ihren Kindern machen, ohne dass wir berechtigt sind, etwas zu unternehmen. Aber: Professionalität heißt wissen, was man tut. Fachkräfte können nicht so viel Blödsinn machen wie Eltern, bei ihnen liegt die Messlatte sehr viel höher.“

Kinderschutz und Kinderrechte

„Jede vierte pädagogische Maßnahme entspricht laut einer Studie nicht den Regeln des Kinderschutzes - des institutionellen Kinderschutzes, wohlgemerkt“, sagt Jörg Maywald. Täglich geschehe in jeder Kita Fehlverhalten, das sich vor allem in seelischer Gewalt ausdrücke. Hundertprozentige Gewaltfreiheit sei ein unerreichbares Ideal und dennoch müssten Kitas sich mit dem kinderrechtsbasierten Kinderschutz in prozessartiger Weise auseinandersetzen. Zum Beispiel könne man im Team gemeinsam den Fehler der Woche finden und diesen analysieren, um eine positive Fehlerkultur zu etablieren, empfiehlt Maywald.

Kindeswohl und seine Beeinträchtigung

Gewaltschutzkonzepte sind mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) seit zwei Jahren Pflicht für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Alle Steglitzer Kindertagesstätten sind bereits seit 2018 damit ausgerüstet und aktualisieren sie laufend. Kinderschutz umfasst aber laut Maywald mehr als den Schutz vor Gewalt. Unter anderem gehören in einer Kita dazu der Schutz vor Unfall, Diskriminierung und Rassismus, Medienschutz, der Schutz auf Privatsphäre wie auch der Schutz vor der politischen Meinung der Eltern.

Das Verständnis von Kinderschutz habe sich seit rund 15 Jahren sehr verändert und befinde sich weiterhin in dynamischer Entwicklung, sagt Maywald. Dabei ginge es im Übrigen auch um den Schutz von Mitarbeitenden, es gebe schließlich extreme Fälle von Falschbeschuldigungen. Festzuhalten sei, dass die Partizipation von Kindern, das heißt mitmischen und mitentscheiden, einen hohen Schutzfaktor darstelle. „Kinder, denen zugehört wird, sind besser geschützt“, sagt er. Obwohl der Fachkräftemangel ein großes Thema ist, schlägt Maywald vor, die persönliche Eignung pädagogischer Fachkräfte in einem Probearbeiten zu prüfen. Und sich durchaus zu trauen, die Kinder nach ihrer Meinung zu fragen – sie hätten nämlich ein sehr gutes Gespür für Menschen.

Das heutige erweiterte Verständnis von Kinderschutz werde im Begriff Kindeswohl gut zusammengefasst, hier kämen alle Kinderrechte zusammen, erklärt Maywald. Gesetzlich sei
zwar die Kindeswohlgefährdung definiert, nicht aber die Kindeswohlbeeinträchtigung. Letztere sei aber wesentlich für die Arbeit in der Kindertagesstätte. Häufiges Fehlverhalten entstünde zum Beispiel rund um die Mahlzeiten, die gute Gelegenheiten für das Mitentscheiden der Kinder seien. Und eine ganz andere, eine politische Frage sei, ob das Kindeswohl nicht auch durch Personalmangel beeinträchtigt würde.

Praxisfragen

Die berufliche Berührung mit dem Thema Kinderschutz, die Erfahrung als Kind mit der institutionellen Beschränkung von Rechten und die Erfahrung mit der eigenen Überschreitung von Rechten gegenüber einem Kind waren Fragen für den Austausch in Kleingruppen. Es wurde deutlich, dass pädagogische Fachkräfte unsicher sind, was denn „überhaupt noch erlaubt sei“. Natürlich gebe es Situationen, in denen Kinder zum eigenen Schutz beispielsweise festgehalten werden müssten. Wichtig sei aber die klare Haltung der Mitarbeitenden und die Begründbarkeit ihres Handelns, sagt Maywald dazu. Die Umsetzung des Kinderschutzes brauche natürlich Zeit, er empfehle aber die Verankerung der Kinderrechte und der Kinderschutzformen im Vorwort des Gewaltschutzkonzeptes.

Emre will nur Nudeln

Für lebendige Gespräche sorgte später die Aufgabe zum Thema Mahlzeiten: Emre will nur Nudeln, kein Gemüse! Die Teilnehmenden stellten das Praxisbeispiel in zwei Stufen dar: Einhaltung des Rechtes auf Selbstbestimmung und des Rechtes auf Selbstbestimmung plus des Rechtes auf Partizipation. Fazit: Ob und wieviel ein Kind von dem Angebotenen isst, ist eine Frage seiner Selbstbestimmung – außerhalb medizinischer Gründe. Die Entscheidung, was angeboten wird, ist wiederum Aufgabe der Erwachsenen.
Zum Beispiel handhaben Kitas die Frage, ob Pausensnacks von zuhause mitgebracht werden, sehr unterschiedlich. „Wenn Sie Mitgebrachtes erlauben, müssen Sie auch mit den Konsequenzen leben. Seien Sie aber sicher: Milchschnitten sind keine Kindeswohlgefährdung“, erklärt Maywald der erheiterten Zuhörerschaft. Erziehungspartnerschaft hieße nicht dieselbe Erziehung zuhause wie in der Kita, sondern Respekt vor den Unterschieden.

Fazit

„Dieser Fachtag brachte jede Menge gewinnbringende Erkenntnisse für unsere Kitas“, stellt Kita-Fachberaterin Anna Bökenkamp fest. Eine Kindertagesstätte sei nun mal eine Familien unterstützende und ergänzende Institution, aber eben keine Familie! Umso wichtiger sei es, dass die Mitarbeitenden nach fachlichen Standards handelten und über persönliche Eignung verfügten. Im Team müsse eine gemeinsame pädagogische Haltung für Schlüsselsituationen wie Mahlzeiten, Ruhezeiten und Pflege unter dem Aspekt des Kinderschutzes entwickelt werden. „Wir haben heute wieder gehört, dass das Erleben von Selbstwirksamkeit für Kinder einen hohen Schutzfaktor darstellt“, sagt Bökenkamp. Kita-Teams müssten also entscheiden, wie das Kinderrecht auf Beteiligung umgesetzt werden kann und wo es seine Grenzen hat. Im Übrigen sensibilisiere die Auseinandersetzung mit der Partizipation der Kinder die Fachkräfte für grenzachtendes Verhalten, sagt Anna Bökenkamp.

ubo

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