Dass sie sich im Alter von 42 Jahren taufen lassen würde, hätte sie vor 15 Jahren nicht für möglich gehalten. Für eine bekennende Atheistin wäre das auch eine ungewöhnliche Maßnahme gewesen. Glaubende Menschen waren für sie schwache Persönlichkeiten, die im Unwahrscheinlichen Halt suchen. Irgendwie kam es dann doch anders und darum geht es hier.
„Ich konnte mich in der Kirche nicht wiederfinden,“ sagt Regina Eckhardt heute. Ihre Eltern gehörten ursprünglich der katholischen und der evangelischen Kirche an, sind aber wegen einer hohen Kirchensteuernachzahlung beide verärgert ausgetreten. Dass ihre Tochter in der Schule am Religionsunterricht teilnimmt, war ihnen dennoch wichtig. Davon blieb allerdings nicht so viel hängen, denn Regina Eckhardt hatte nie so recht das Gefühl, dazuzugehören. Als Jugendliche verlief sich das Interesse an Kirche naturgemäß. Und in Bezug auf die Konfirmationsfeiern der Gleichaltrigen war sie sicher, dass die das nur wegen der Geschenke machten.
Die Fragen nach Sinn und Zweck des Lebens haben Regina Eckhardt gleichwohl immer schon begleitet und mangels Antworten war der Atheismus die einzig schlüssige Weltanschauung für sie. Dabei blieb es über viele Jahre. „Irgendwie habe ich mich dann über einen längeren Prozess von einer Atheistin zur Agnostikerin entwickelt,“ erzählt sie, „irgendwann konnte ich die Nichtexistenz Gottes nicht mehr so vehement vertreten, wie vorher. Zumindest musste ich zugeben, dass ich es nicht weiß.“ Es begann eine Phase, in der sie zunächst begann, sich über verschiedene Glaubensrichtungen zu informieren.
Das war der Anfang eines Weges, der vielleicht schon 10 Jahre andauert, so ganz genau kann sie das gar nicht sagen. Aber sie weiß, was der Weg mit ihr gemacht hat: „Gott hat mir die Fähigkeit zum Glauben gegeben,“ sagt Regina Eckhardt heute. Sie habe viel Bibel-TV geschaut, Fernsehprediger gehört und sich mit den verschiedenen christlichen Konfessionen befasst. Weil ihr Umfeld für geistliche Themen nicht aufgeschlossen war, hat sie sich ab und zu gerne mit den Zeugen Jehovas über Glaubensdinge ausgetauscht. In der Zeit begannen auch ihre Kinder in die evangelische Kita der nahegelegenen Paul-Schneider-Gemeinde zu gehen. Dass sie christliche Grundlagen erhalten sollten, war ihr schon aus Gründen der Allgemeinbildung wichtig.
Im Lauf der Zeit wurde Regina Eckhardt klar, dass sie sich würde taufen lassen wollen und wenn, dann in einem See. Lange hat sie sich mit dem Gedanken daran getragen, aber sie wusste noch nicht, welches ihre Kirche, ihre Gemeinde sein sollte. Als Sohn Fynn 13 Jahre alt wurde, fing sie an, sich über die Rituale Gedanken zu machen, die den Übergang vom Kind zum Erwachsenen kennzeichnen. Es gibt die Konfirmation, andere feiern Jugendweihe erklärte sie ihm, er könne zum Beispiel am Konfirmandenunterricht teilnehmen und sich am Ende für oder gegen eine Taufe entscheiden. Die beiden vereinbarten, bei nächster Gelegenheit zum Familiengottesdienst der Paul-Schneider-Gemeinde zu gehen, um sich das mal anzuschauen. Regina Eckhardt war gar nicht sicher, ob sie sich trauen würde, den Pfarrer wegen des Konfirmationsunterrichts anzusprechen. Das war allerdings auch nicht nötig: Mit den Worten „wer bist du denn, dich kenne ich ja noch gar nicht,“ kam Stefan Aegerter nach dem Gottesdienst auf Fynn zu und lud ihn kurzerhand zum Konfirmandenunterricht ein, der in Kürze beginnen sollte. „Das war ein deutliches Zeichen für mich, dass es so sein sollte“, sagt Regina Eckhardt.
Als es dann im Konfirmandenunterricht um die Taufe ging, fragte sie Stefan Aegerter, ob er auch eine Taufe in einem offenen Gewässer durchführen würde. Völlig verblüfft war sie, als er gleich zustimmend reagierte, das hätte er schon öfter gemacht. Wieder ein Zeichen.
Und so kam es, dass Regina, Fynn und Tochter Alyssa Eckhardt sich am 29. April im noch recht kühlen Schlachtensee von Pfarrer Aegerter im Kreis einer kleinen Gemeinde taufen ließen. Jugenddiakon David Stephani sorgte mit der Gitarre für stimmungsvolle Musik und auch der Heilige Geist war mit von der Partie: Nach dem Vollzug der Taufe riss der Himmel über dem See auf und tauchte die Welt in ein freundliches, friedliches Licht.
Die Wege des Herrn sind lauter Güte und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote halten. Psalm 25,10
Regina Eckhardt weiß nicht, über welche Stationen ihr Weg sie weiter führen wird, ob ihr die evangelische Kirche so recht passt oder doch eher eine freikirchliche Gemeinde. Das wird sich zeigen. Aber sie hat Ja gesagt zu Gottes Beziehungsangebot und das wird sie weiterhin leiten.
ubo
Über uns der klare Himmel. Keine Wolke am Horizont, vollkommenes, helles Blau.
Wir hatten lange geplant und überlegt. Es sollte eine Taufe am See sein. Doch dies umzusetzen war gar nicht so einfach, letztlich nahmen wir den See mit in die Gemeinde, in den Garten. Und da stand sie, die Sandmuschel bis oben hin mit Wasser gefüllt.
In einigem Abstand der geschmückte Altar. Sieben Kinder und eine Erwachsene wollten sich taufen lassen. Alles war bereitet, alles war bereit, auch das lebendige Taufbecken, unsere Taufschale von Paten gehalten. Und damit das Wasser aus dem Gewässer in unser lebendiges Taufbecken fließen konnte, bildeten alle Kinder, Paten und begeisterte Gemeindeglieder eine lange Kette und füllten aus der Sandmuschel die Becher. Es floss aus der einen Hand in die andere und ergoss sich schließlich in unserem Taufbecken.
Es war ein so eindrückliches und wunderbares Erlebnis, das sich tief in meinem Innersten eingegraben hatte. Lag es an dem offenen Himmel? Sicher, aber ich habe so oft schon erlebt, dass dieser sich auch unter dem Kirchendach wölbt.
Dieses ausgelassene Miteinander, das gemeinsame Wirken vieler bei der Taufe suche ich seither zu bewahren. Und so füllten sich auch an jenem Sonntag im Mai die Becher in den Händen der Kinder, Paten, Eltern und Lebensfrohen. Was der eine hatte, gab er dem anderen, weil Gott es schenkt, das Leben, das Wasser, das lebendig macht. Und so füllte sich langsam unser Taufbecken. Bis es bereitet war und die Tauffamilien einzeln hinzutraten, um sich zu unserem Gott zu bekennen und ihr geliebtes Kind Ihm anzuvertrauen. Umgeben von fröhlichen Gesichtern. Das Glucksen der Menschen, die Freude am Wasser, die Lust am Leben hallen noch heute in mir nach.
Pfarrerin Lydia Grund-Kolbinger