Alles begann mit dem schrittweisen Abbau der Spielgeräte: weil sie teilweise nicht mehr den Sicherheitsvorschriften entsprachen, mussten sie Stück um Stück entfernt werden. Eine Überholung wäre zu kostenintensiv gewesen. Nach und nach veränderte sich damit das große Gelände. Das Interessante: die Geräte fehlten den Kindern nicht. Der freie Raum setzte ihre Kreativität in Gang und schränkte den Spielfluss in keiner Weise ein. Diese Beobachtung führte beim Kita-Team zu dem Wunsch, das Gelände ganz neu zu denken und großflächig zugänglich zu machen.
Die Kita ließ sich von Grün macht Schule – KinderGARTEN mit Sitz im Freilandlabor Britz e.V. beraten. Einzelne Team-Mitglieder nahmen an Informationstagen und Fortbildungen teil, kamen begeistert zurück und steckten ihre Kolleginnen und Kollegen mit ihren Ideen an. Schließlich wurde ein Projekt für alle daraus: Mitarbeitende, Kinder und Eltern wurden von einer Landschaftsgestalterin von Grün macht Schule – KinderGARTEN bei der Umgestaltung des Geländes begleitet. Neben vielen praktischen Ideen unterstütze sie vor allem eine Art Bewusstseinserweiterung der Beteiligten: es brauchte eine Weile, bis sie sich das Entwicklungspotential des Geländes vorstellen konnten. Hof und Garten der Kita wurden so immer mehr zu einem Möglichkeitsraum für naturnahe Raumgestaltung.
Mit diesem schrittweisen Vorgehen ließen sich auch die Mitarbeitenden überzeugen, die vorher fanden: Gärtnern ist nicht mein Ding. Grün macht Schule – KinderGARTEN beriet das Team zu standortangepassten Lösungen, den richtigen Pflanzen für die Licht- und Bodenverhältnisse und schaffte damit eine gute Frustrationsvorsorge. Nachdem das (meiste) Gesäte und Angepflanzte dann auch ins Wachsen kam, wurde Gärtnern für alle eine Option.
Der gemeinsame Bau eines großen Baumhauses war eines der wichtigen Elemente in der Umgestaltung. Die Aktion stellte sich als besonders wertvoll für die Beziehungen zwischen Kindern, Eltern und Kita-Team heraus und schaffte Verbindung, Vertrauen und Nähe. Zurückblieben zwei Gartenaktionstage pro Jahr gemeinsam mit allen Beteiligten zur Stärkung von Garten und Miteinander.
Auf der großen Außenfläche werden mittlerweile rund 100 m² für die umfassende gärtnerische Arbeit mit den Kindern genutzt. Sie erleben hier den gesamten Kreislauf der Natur von der Aussaat und Wachstum der Pflanzen, über eine nachhaltige „Schädlingsbekämpfung“ und die Ernte bis zum Abbau und der Zersetzung von pflanzlichem Material im Kompost. Nisthilfen laden Insekten ein, Brutkästen und Tränken locken Vögel an. Von essbaren Pflanzen, ebenerdigen Blumen- und Gemüsebeeten, Hochbeeten über eine Kräuterspirale bis hin zu einem vertikalen Garten an einer Gebäudewand werden alle Möglichkeiten naturnahen Gärtnerns genutzt. Auch ein Teich wurde angelegt. Die Pflanzen stammen sowohl aus biologischer wie aus konventioneller Produktion und inzwischen auch aus eigenem Anbau.
Jede Abteilung der Kita hat ihren eigenen (Garten-)Bereich, der selbst organisiert wird. Es zeigte sich, dass Selbstbestimmung und Souveränität zu mehr Engagement im Team und zu Kooperation und Austausch untereinander beitragen. Auch Mitarbeitende ohne pädagogische Aufgabe - zum Beispiel der Hausmeister - sind an der Arbeit mit Pflanzen beteiligt. Schließlich überzeugte eine Beratung mit der Schulimkerei, dass Bienen im Kita-Garten eine sinnvolle Ergänzung in der naturnahen pädagogischen Arbeit sein können. Durch Besuche von Bienenstöcken in der benachbarten Kirchengemeinde wurden Kinder und Eltern an das Thema herangeführt. Inzwischen finden in der Südender Kita auch Honigverkostungen statt und es wird eigener Honig verkauft.
Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Eltern ist in der Kita Südende Teil des pädagogischen Konzepts. Eine frühzeitige Einbindung der Eltern und gute Kommunikation, sei wichtig, sagt Kita-Leiterin Mirjam Frieß. Dies beinhalte bei der Arbeit draußen zum Beispiel den Umgang mit Bienen und anderen Insekten, Brennnesseln, Küchenmessern und anderem Werkzeug oder die Nutzung des Baumhauses. Die Eltern müssten wissen, dass hinter allen Aktivitäten Konzept und Absicht steckten statt Nachlässigkeit und unnötige Gefahr. Schließlich sei auch im aktuellen Berliner Bildungsprogramm festgeschriebenen, dass Kinder ein Recht auf Risiko und Krisen hätten. Beratung durch die Unfallkasse Berlin sei bei der Kommunikation mit den Eltern sehr hilfreich gewesen, sagt Mirjam Frieß.
„Das gartenpädagogische Konzept ist ein voller Erfolg“, sagt Kita-Leiterin Mirjam Frieß. Dass es funktioniere sehe man allein daran, dass die Kinder sich morgens gar nicht ausziehen, sondern direkt wieder nach draußen wollten. Dort könnten sie unbeobachtet spielen und hätten Raum zum Ausprobieren. Sie erhielten ein Gefühl von Selbstwirksamkeit durch die eigene Mitgestaltung.
Ansonsten liege im Umgang mit dem Garten alles an der Einstellung: dazu gehöre eben auch das Ausprobieren und das Zulassen von „Nicht-Erfolgserlebnissen“. Mirjam Frieß rät ihren Mitarbeitenden, dem Garten mit derselben Geduld und Großmut zu begegnen, die sie auch den Kindern entgegenbringen. Schließlich sei das Motto Lernen fürs Leben – und das gelte für die Erziehenden wie für die Kinder.